Bandscheibenvorfall
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Definition
Bei einem sequestrierten/hernierten Bandscheibenvorfall handelt es sich um eine Verlagerung von Bandscheibenmaterial (aus dem Nucleus pulposus, dem Kern, oder aus dem Anulus fibrosus, dem äußeren Faserring der Bandscheibe) jenseits des Bandscheibenfachs und meist in den Spinalkanal. Ein Bandscheibenvorfall kann im Bereich der Lendenwirbelsäule, Halswirbelsäule und seltener im Bereich der Brustwirbelsäule auftreten. Die Diagnose eines Bandscheibenvorfalls kann klinisch durch den Arzt, unterstützt durch eine MRT-Untersuchung und/oder eine CT-Untersuchung gestellt werden (s. Abb. 15.1,(*)). Der Bandscheibenvorfall stellt einen der möglichen Entwicklungsschritte in der Degeneration einer Bandscheibe bzw. eines Bewegungssegmentes der Wirbelsäule dar. Somit bestehen zahlreiche Übergangsformen zwischen beginnenden Bandscheibenvorfällen (Diskus-Bulking, Protrusionen) und vollständigen Bandscheibenvorfällen (Prolaps, Hernierung, Sequestrierung). Abb.15.2. illustriert die diversen Entwicklungsstufen, welche auch in bildgebenden Untersuchungen eingefangen werden können.
Ursache und Häufigkeit
Die Häufigkeit des Vorkommens eines Bandscheibenvorfalls, verteilt auf die Bevölkerung, beträgt ca. 1%-3%. Am häufigsten finden sich Bandscheibenvorfälle im Alter von 30-50 Jahren bei einer Männer-Frauen-Verteilung von 2:1. Ein Bandscheibenvorfall ist jedoch nicht per se verantwortlich für langfristige Schmerzen und Funktionseinschränkungen. Bis zu einem Drittel der erwachsenen Menschen ohne Beschwerden weisen in MRT-Untersuchungen einen Bandscheibenvorfall auf. Wissenschaftlich nachgewiesene Risikofaktoren für das Vorliegen symptomatischer Bandscheibenvorfälle sind: Rauchen, gewichtstragende Sportarten (z.B. Gewichtheben, Hammerwerfen) und einige Arbeitsausführungen (z.B. repetitives Heben schwerer Lasten). Abb. 15.2 veranschaulicht im axialen MRT-Schnittbild wie ein Bandscheibenvorfall auf die neuralen Strukturen, Nerven und Rückenmark, Druck ausüben kann.
Mögliche Beschwerden und Symptome:
Im Bereich der Lendenwirbelsäule reichen die möglichen Symptome von tiefen Rückenschmerzen bis zu Bein- und Gesäßschmerzen. Im Bereich der Halswirbelsäule sind es Nacken-, Arm- und Schulterbeschwerden. Bei Husten und Pressmanövern können sich die Beschwerden verstärken, ebenso wie bei schwerem Heben und Bücken. Die Beweglichkeit der Wirbelsäule kann schmerzhaft eingeschränkt sein. In seltenen Fällen kann ein Bandscheibenvorfall durch Druck auf Nervenwurzeln oder das Rückenmark zu neurologischen Ausfällen, Reduzierung von Kraft- und Sensibilität sowie Blasen- und Mastdarm-Störungen führen.
Konservative Behandlung
Eine langfristige und nachhaltige Behandlung des Bandscheibenvorfalls erfolgt durch die Beeinflussung von Ursachen oder begünstigenden Faktoren. Dazu gehören Muskelaufbau, Gewichtskontrolle und Muskelkonditionierung, insbesondere der Rumpf- und Bauchmuskulatur. Physiotherapeutische Maßnahmen helfen bei der langfristigen Rumpfstabilisierung und sorgen für eine günstige der Prognose der Erkrankung.
In der akuten Situation helfen Schmerzmedikamente, antiphlogistisch wirksame Medikamente (NSAR, Cortison), Stufenlagerung, sowie Ruhe und im Bereich der Halswirbelsäule auch die temporäre Ruhigstellung durch eine Zervikalorthese. Neurologische Ausfälle und Blasen- und Mastdarm-Störungen indizieren die umgehende Arztkonsultation. Im Einzelfall können konservativ Erfolge bei Bandscheibenvorfall selbst mit neurologischer Komponente erreicht werden.
Operative Therapie
Bei Patienten mit starken Schmerzen und insbesondere mit neurologischem Funktionsausfall ist die operative Behandlung indiziert. Im Bereich der Lendenwirbelsäule erfolgt sie in minimal-invasiver Technik (sog. MIS-Technik) unter mikroskopischer Unterstützung (s. Abb. 15.3) oder unter Einsatz der Lupenbrille. Es handelt sich hierbei um meist kleine, schonende chirurgische Eingriffe. Der Eingriff im Bereich der Halswirbelsäule erfolgt vornehmlich über einen ventralen (vorderen) Zugang zur Wirbelsäule. Dieser wird anatomisch und schonend durchgeführt. Auf die Entfernung des Bandscheibenvorfalls (Dekompression) folgt die Rekonstruktion mit einem Titankäfig. Zur Sicherung von Form und Stabilität wird das Segment nachfolgend durch eine Platte mit Schräubchen stabilisiert (s. Abb.15.4.). Diese Technik kann auch über mehrere Etagen angewendet werden (s. Abb. 15.5). Durch die Fusion einzelner Segmente der Halswirbelsäule können Patienten noch sehr gute Bewegungsumfänge erhalten, da die intakten Segmente einen Bewegungsverlust in anderen Segmenten meist gut kompensieren können. Es stehen heutzutage zahlreiche Käfige zur Verfügung, um den Dekompressionsdefekt zu rekonstruieren (s. Abb. 15.6). Diese werden mit Eigenknochen- oder Knochenersatzmaterial befüllt, um eine sichere Einheilung zu gewährleisten. Ein Beispiel einer solchen Versorgung ist in Abb.15.7. illustriert. Eine Alternative zu Käfig und Platte stellt die Implantation einer Bandscheibenprothese dar, welche Segmentbeweglichkeit leisten und somit insbesondere bei jungen Patienten Vorteile bringen kann (s. Abb. 15.8). Die erfolgreiche Implantation einer Bandscheibenprothese erfordert jedoch das Erfüllen mehrerer Kriterien in Bezug auf das Alter des Patienten, Degeneration der zu behandelnden Wirbelsäulensegmente, Knochenqualität u.v.a.m. Beispiele der Versorgung mit einer Bandscheibenprothese zeigen die Abb. 15.9 und Abb. 15.10. In seltenen Fällen kann auch die Dekompression eingeengter Nerven bei einem Bandscheibenvorfall über einen dorsalen (hinteren) Zugang indiziert sein. Generell ermöglichen bei einem Bandscheibenvorfall kleine Zugänge und kurze Operationszeit eine rasche Rekonvaleszenz des Patienten und schaffen die Voraussetzung für eine Wiedereingliederung in die Berufswelt. Bei Kombination eines oder mehrerer Bandscheibenvorfälle sowie fortgeschrittenem Verschleiß auch auf mehreren Wirbelsäulenetagen können aufwendigere operative Verfahren angezeigt sein, um dem Patienten Beschwerdelinderung zu ermöglichen (s. Degenerative Wirbelsäule). Bandscheibenvorfälle im Bereich der Brustwirbelsäule sind selten. Bereiten sie Beschwerden oder führen sie zu neurologischen Störungen durch chronischen Druck auf das Rückenmark, dann besteht Handlungsbedarf. Zur Therapie stehen dorsale (von hinten) und ventral transthorakale (durch den Brustkorb) Verfahren zur Verfügung. Der Bandscheibenvorfallresektion folgt dann meist auch die Rekonstruktion und Stabilisierung der betroffenen Wirbelsäulenabschnitte (Bsp. in Abb. 10.11).